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Thomas Mann zum 150.: Mit Worten im Krieg gegen Hitler, für die deutsche Seele.
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Thomas Mann zum 150.: Mit Worten im Krieg gegen Hitler, für die deutsche Seele.

Vom Nobelpreisträger zum Kriegsrundfunksprecher – wie der Literatur-Gigant zur mächtigsten Stimme der Demokratie gegen Nazi-Deutschland wurde.
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5. Juni 2025. Bundeskanzler Merz besucht Präsident Trump zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt. Oval Office. Das übliche Pressegespräch. Merz erwähnt den D-Day, dessen Jahrestag am nächsten Tag ansteht. Trump bemerkt mit seinem charakteristischen Halblächeln: "Not a pleasant day for you, eh?" Merz, gut vorbereitet von seinen Beratern—"Denk dran: immer Dankbarkeit zeigen, Dankbarkeit, Dankbarkeit"—antwortet: "Well... in the long run, this was the liberation of my country from the Nazi dictatorship."

Also ja. Große Dankbarkeit. Aber hier sind wir wieder. Im Stereotyp gefangen.

Ein amerikanischer Präsident mit deutschen Wurzeln, der mit einem deutschen Bundeskanzler spricht, als ob jenes Deutschland ihn noch immer prägen würde, als ob er noch immer jenes Deutschland repräsentieren würde.

Ich fragte mich: Was verkörperte Thomas Mann, als er im Frühjahr 1938 in New York ankam und überall im Land seine Vorträge über Der kommende Sieg der Demokratie hielt?

Er repräsentierte ein anderes Deutschland. Und niemand in Amerika hätte das in Frage gestellt. Mann war Amerika dankbar – er räumte ein, dass „für die Dauer des gegenwärtigen europäischen dunklen Zeitalters sich das Zentrum der westlichen Kultur nach Amerika verlagern wird." Aber auch die Amerikaner waren Thomas Mann dankbar: dafür, dass er die USA für sein Exil gewählt hatte. Der „größte Schriftsteller" ihrer Zeit hatte sich für Amerika entschieden.

Denn damals waren Amerika und Demokratie eins.

Und wieder fragte ich mich: Hätte der New Yorker Trump 1938 Manns Vorlesungen besucht? Oder wäre er ein Jahr später lieber zur berüchtigten Nazi-Kundgebung im Madison Square Garden gegangen?

Wer weiß.

Mann2025.de / The Official Website of Mann 2025: a directory of events across nine Countries and one year.

Am 6. Juni 2025 feierte Thomas Mann seinen 150. Geburtstag.

In ganz Deutschland ist er allgegenwärtig – Veranstaltungen, Neuauflagen, Podcasts, TV-Sendungen, Diskussionen. Jede Menge Literatur. Jede Menge persönliche Berichte. (Warum zum Teufel interessieren sich alle so für seine ungeklärte Sexualität?)

Aber auch viel Politik. Mann gehörte zu denjenigen, die es wagten, Nein zu Hitler und Ja zur Demokratie zu sagen. Er war der bedeutendste Intellektuelle im Exil seiner Zeit. Und für unsere Zeit gilt: seine Worte haben noch immer Gewicht.

Während ich viele seiner literarischen Meisterwerke gelesen habe, entdeckte ich erst heute seine politischen Schriften und Reden. Ich hörte zu. Ich las. Ich arbeitete mich durch Manns charakteristisch lange, dichte Sätze.

Und ja. Was er über Demokratie und Freiheit schrieb, spricht noch immer zu uns: als Deutsche, als Europäer und darüber hinaus. Folge mir.

1938, Thomas Mann in den USA: „Wo ich bin, da ist Deutschland."

21. Februar 1938. Die Queen Mary legt in New York an. Thomas Mann und seine Frau betreten amerikanischen Boden. Reporter umschwärmen sie. Kameras surren. Seit 1933 hatten sie am Zürichsee Zuflucht gefunden. Doch selbst die Schweiz erschien nicht mehr sicher. Der „Anschluss" Österreichs stand bevor.

Mann war bereits einer der berühmtesten Schriftsteller der Welt: Nobelpreisträger 1929, erster nicht-englischsprachiger Autor auf dem Cover des Time-Magazins 1934. Der Presse gegenüber zeigte er sich offen. Als man ihn fragte, ob das Exil einsam sei, räumte er ein, es sei schwer zu ertragen, fügte jedoch hinzu:

»Was es leichter macht, ist das Bewusstsein für die vergiftete Atmosphäre in Deutschland. Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir.«

Er sah sich nicht als Ausnahme. Nicht einmal als Vertreter eines „anderen Deutschlands." Er war das eine wahre Deutschland. Dies wurde zu seiner amerikanischen Mission: für die Idee Deutschlands Zeugnis abzulegen, sie aus Hitlers tödlicher Umarmung zu reißen. Er hatte dies bereits ein Jahr zuvor geschrieben, als die Universität Bonn ihm die Ehrendoktorwürde entzogen hatte. Sein offener Brief an den Dekan wurde legendär:

»Verdient oder nicht, mein Name hatte sich nun einmal für die Welt mit dem Begriff eines Deutschtums verbunden, das sie liebt und ehrt; daß gerade ich der wüsten Verfälschung klar widerspräche, welche dies Deutschtum jetzt erlitt, war eine in alle freien Kunstträume, denen ich mich so gern überlassen hätte, beunruhigend hineintönende Forderung. Eine Forderung, schwer abzuweisen…« • Dr. Thomas Mann, An den Herrn Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn, 1 Jan, 1937 (University Archive Bonn)

So begab sich Thomas Mann auf seine Vortragsreise durch Amerika:

"The Coming Victory of Democracy."
Vom zukünftigen Sieg der Demokratie, 1938

Fünfzehn Vorträge. Vierzehn Städte. Jeweils zwischen 2.000 und 6.000 Zuhörer. Das Buch verkaufte sich über 25.000-mal – nicht zuletzt dank einer Empfehlung von Eleanor Roosevelt. Doch der Titel verriet mehr: Es ging nicht nur um den Kampf gegen den Faschismus. Es ging darum, die Demokratie selbst wiederzubeleben. Denn die Demokratie war nicht nur in Europa gefährdet:

»Daß Demokratie heute kein gesichertes Gut, daß sie angefeindet, von innen und außen her schwer bedroht, daß sie wieder zum Problem geworden ist, das spürt auch Amerika. Es spürt, daß die Stunde gekommen ist für eine Selbstbesinnung der Demokratie, für ihre Wiedererinnerung, Wiedererörterung und Bewußtmachung – mit einem Wort: für ihre Erneuerung im Gedanken und im Gefühl.« • The Coming Victory of Democracy 19381

Aber um zu gewinnen, musste die Demokratie ihre innere Stärke zurückgewinnen. Mann verwendete eine stärkere Metapher – eine, die heutige Zuhörer wohl als sexistisch empfinden würden: Die Freiheit müsse ihre Männlichkeit zurückgewinnen. Sie müsse lernen, sich zu verteidigen:

»Mit einem Pazifismus, der eingesteht, den Krieg um keinen Preis zu wollen, führt man den Krieg herbei, statt ihn zu bannen.«

Daher seine Warnung angesichts der Münchner Abkommen-Gespräche:

»Jede Erfüllung deutscher Ansprüche bedeutet einen grausamen und entmutigenden Schlag gegen die auf Freiheit und Frieden gerichteten Kräfte im deutschen Volk.«

Während Thomas Mann durch Amerika tourte, übergab Europa das Sudetenland an Hitler. Die Tschechoslowakei hatte dabei kein Mitspracherecht. Wir kennen die Folgen. Vier Tage vor dem Münchner Abkommen trat Mann bei einer „Rettet die Tschechoslowakei!"-Kundgebung im Madison Square Garden auf. Seine Schlussworte gingen in die Geschichte ein:

»Hitler must fall. This—and nothing else—will preserve the peace.«

Von diesem Moment an – und nach der Entscheidung, im September 1938 dauerhaft in die Vereinigten Staaten überzusiedeln – wurde Thomas Mann in den Augen der Amerikaner zu „dem Deutschland, das wir lieben können."

Er wurde, nach seinen eigenen Worten,
„Hitlers intimster Feind."

Die Entstehung eines Reaktionärs.

Und dennoch hätte Manns Herkunft ihn zu einem Reaktionär machen sollen. Vielleicht zu einem jener Intellektuellen, die – trotz ihrer Verachtung für vulgäre Aktivisten – später dem Nationalsozialismus Hitlers beigetreten wären.

Großbürgerliche Familie aus Lübeck. Gute Schulen, auch wenn ohne Erfolg besucht. Schreiben als absolute Leidenschaft. Und 1905 eine vorzügliche Heirat mit Katia Pringsheim – Erbin einer wohlhabenden jüdischen Familie von Intellektuellen und Industriellen in München. Bereits 1901 hatte Mann sein monumentales Werk Buddenbrooks geschrieben. Als 1914 der Krieg ausbrach, war Mann durchdrungen von Romantik und nationalem Überschwang. Die Kriegspolitik des Deutschen Reiches und sein autoritärer Staat faszinierten ihn. Wie viele europäische Intellektuelle sah er den Krieg als Befreiung und Hoffnung: „Dieser Krieg ist eine moralische Notwendigkeit, eine Befreiung, eine unermessliche Hoffnung." Er schrieb es in einem kleinen Buch, das am Kriegsende veröffentlicht wurde:

Betrachtungen eines Unpolitischen
1915-1918

Ein komplexer, teils schwerfälliger und politisch verstörender Text. Mann verstand sich damals als unpolitisch – ein Intellektueller, so seine Überzeugung, könne sich nicht für Politik interessieren. Besonders nicht für die "vulgäre demokratische" Politik jener Jahre. Dennoch enthielt sein kulturelles Schreiben deutlich politische Botschaften. Im Buch deutet Mann den Krieg als eine Debatte über die großen Ideen Europas – eine Debatte, ausgetragen mit Waffen und Blut.

Deutschland stand zwischen dem republikanischen Frankreich, dem liberalen England und dem religiösen Russland. Das Land wurde zum "geistigen Schlachtfeld europäischer Gegensätze."

Auf diesem Schlachtfeld konnte sich Deutschland nicht mit der westlichen "Zivilisation" verbünden – einer Welt der Vernunft, Aufklärung und Demokratie. Die deutsche Kultur war stattdessen nach innen gerichtet, spirituell und künstlerisch. Sie war ihrem Wesen nach autoritär. Um ihre Eigenart zu bewahren, durfte sich diese Kultur nicht mit der alltäglichen Politik vermischen – nicht mit dem vermeintlichen Chaos der Demokratie.

»Deutschland ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation, Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur.« • »Demokratie ist Diskussion, Deutschland aber ist Schicksal.« • »Kultur ist im Grunde ein aristokratischer Begriff, und Demokratie ist ein politischer Begriff.« • Betrachtungen eines Unpolitische, 1918

Kurz gesagt: Demokratie und Politik waren „dem deutschen Charakter fremd und giftig". Nur ein „autoritärer Staat" war die angemessene Regierungsform für Deutschland. Mann stand mit diesen Gedanken nicht allein. Der „revolutionäre Konservatismus" prägte die deutsche Gesellschaft bereits seit 1800 – ein Gegengewicht zur Sozialdemokratie und demokratischen Methoden.

Sein Denken würde sich innerhalb weniger Jahre grundlegend ändern. Deutschland veränderte sich nach dem Ersten Weltkrieg. Es kamen die Weimarer Jahre: kulturell so reich, materiell so arm, politisch so turbulent. Und die Betrachtungen eines Unpolitischen wurden zu jenem Werk, das es zu verbergen galt – wenn möglich, zu vergessen. Es wurde erst nach dem Tod des Schriftstellers 1983 ins Englische übersetzt.

Die Weimarer Wende: vom unpolitischen zum politischen aktivisten.

Die Republik ist unser Schicksal
Rede: „Von Deutscher Republik", 13. Oktober 1922

24. Juni 1922. Ein Schuss in Berlin verändert alles. Walther Rathenau, der deutsche Außenminister, liegt tot auf der Straße. Rechtsextremisten haben ihn ermordet. Das Land war erschüttert. Doch viele waren erfreut: Sie sahen in Rathenau die Verkörperung jener „demokratischen und jüdischen" Republik, die sie verachteten.2

Unter dem Schock von Rathenaus Ermordung ergriff Thomas Mann seine Chance.

Oktober 1922, Berlin. Eine Feier zu Ehren des Schriftstellers Gerhart Hauptmann, Nobelpreisträger 1912. Dort hielt Mann seine Rede: „Von deutscher Republik." Das Publikum hätte nicht ablehnender sein können: antirepublikanische Studenten und Nationalisten, verbittert durch die deutsche Niederlage und die entstehende Demokratie.

Mann, der sich selbst noch als konservativ bezeichnete, versuchte etwas Brillantes. Er nutzte ihre eigenen kulturellen Bezüge, um sie zu überzeugen. Die Republik sei nicht fremd, sie gehöre zur deutschen Tradition: „Die Republik – sie ist da, sie ist Tatsache, sie ist unser Schicksal. Es gilt, sie mit Geist zu erfüllen, sie menschlich zu machen, sie deutsch zu machen." Und: „Die deutsche Republik ist nicht undeutsch, sie ist nicht unhistorisch. Sie steht ganz in deutscher Tradition."

Mann spielte seine Heimatstadt-Karte aus. Er war ein Sohn Lübecks – das eine Republik innerhalb des Reiches war:

»Die Republik... wie gefällt euch das Wort in meinem Munde? Übel, - bestimmten Geräuschen nach zu urteilen, die man wohl leider als Scharren zu deuten genötigt ist. Und doch ist mir jenes Wort, anders als den meisten von euch, von jung auf vertraut und geläufig. Meine Heimat war ein republikanischer Bundesstaat des Reiches, wie diejenigen, aus denen es heute durchaus besteht.« • Von Deutscher Republik, 1922

Man kann das unbehagliche Rutschen der Studenten fast hören.

Mann berief sich auf Novalis und Goethe – Tradition und Sentiment. Eine lange, hochintellektuelle Rede, schwer zu lesen. Er erklärte, dass „Männer des Friedens" zu sein nicht bedeutete, „Pazifisten" zu sein – eine Beleidigung für Ohren, die unbewusst bereits für einen neuen Krieg bereit waren. Dennoch fuhr Mann fort:

»Der Krieg ist Lüge, selbst seine Ergebnisse sind Lügen, er ist, wieviel Ehre der Einzelne in ihn hineinzutragen willens sein möge, selbst heute aller Ehre bloß,…« • Von Deutscher Republik, Berlin, 13. Oktober 1922

Republik. Frieden. Demokratie. Das war es, was das neue Deutschland brauchte. Der konservative Mann, der vor diesen jungen Studenten stand, erklärte seine Treue zur Republik, in der Hoffnung, sie vom Rechtsextremismus zurückzuholen.

„Es lebe die Republik!" So endete seine Rede. Es war die erste von vielen. Aus dem Schriftsteller Mann wurde der politische Aktivist Mann. So erfolgreich der Schriftsteller in jenen Jahren auch war, der Aktivist blieb erfolglos – unfähig, Deutschland vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Vom stolzen Deutschen zum überzeugten Europäer.

Europa ist unser Schicksal
Leitartikel "Europäische Schicksalsgemeinschaft" 25.12.1923
Vortrag "Europa als Kulturgemeinschaft" 18.05.1930
Deutsche Ansprache: "Ein Appell an die Vernunft" 17.10.1930

Die 1920er Jahre zogen ins Land. Mann schrieb weiter, doch etwas anderes nahm ihn nun gefangen: Veranstaltungen, öffentliche Reden, Leitartikel. Der Schriftsteller wurde zum Aktivisten.

Seine sich entfaltenden Perspektiven: Demokratie als Voraussetzung für das Gedeihen der Kultur; Europa als „Schicksalsgemeinschaft". Das Paradoxon, das er beobachtete, war tragisch: Während des Krieges spürten die Menschen die Gemeinsamkeit des europäischen Schicksals. Doch der harte Frieden – Sieger, die den Besiegten misstrauten – zerstörte dieses Bewusstsein. In einem Weihnachtsessay für das Berliner Tageblatt schrieb er im Dezember 1923:

»Das Pathos europäischer Schicksalsgemeinschaft hatte tragische Lebensmöglichkeit während des Krieges. Die Greuel des Friedens waren ihm tödlicher.« • Europäische Schicksalsgemeinschaft am 25 Dezember 1923

Mai 1930, Berlin. Mann, inzwischen Nobelpreisträger, betritt die Bühne des Pan-Europa-Kongresses. Er spricht zu einem hoffnungsvollen Publikum und bekennt sich vorbehaltlos zu ihrer Vision eines vereinten Europas. Ein Kontinent, der sich nicht durch Sieger und Verlierer definiert, sondern durch Kultur, Zusammenarbeit und Zukunft.

»Es handelt sich um die Lebensbedingungen unserer Kinder. Daß wir Fünfzigjährigen das Europa noch sehen werden, in dem unsere Kinder wohnen sollen, wohnen wollen, ist kaum wahrscheinlich. Aber wir können […] wirken helfen, daß es werde.« • Europa als Kulturgemeinschaft, 18.5.1930

Ein Jahr später stößt dieselbe Rede in Erlangen auf eisiges Schweigen. Mann war mittlerweile zu einer Figur geworden, die von Ultrakonservativen und Nationalsozialisten verachtet wurde. Seine Positionen hatten alle überrascht: Ein Mann seiner Herkunft, der die bürgerlichen Parteien zur Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten aufrief — eine „gemeinsame Front" zur Verteidigung Weimars gegen den nationalsozialistischen „unmenschlichen Fanatismus" und die „Barbarei".

Er tat dies am 17. Oktober 1930 im Beethovensaal in Berlin. Dort hielt Mann eine seiner wichtigsten Reden: „Deutsche Ansprache – Ein Appell an die Vernunft".

Thomas Mann reagierte damit auf Hitlers Erfolg. Die NSDAP war bei den Septemberwahlen zur zweitstärksten Partei im Reichstag aufgestiegen. Mann begegnete diesem Aufstieg mit ruhigem Trotz. Er erkannte zwar die wirtschaftliche Notlage an – doch das war für ihn nicht die ganze Geschichte:

»Der Ausgang der Reichstagswahlen, meine geehrten Zuhörer, kann nicht rein wirtschaftlich erklärt werden. […] Das deutsche Volk ist seiner natürlichen Anlage nach nicht radikalistisch…« • Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 19303

Was er sieht, ist tiefgreifender: ein fundamentaler Bruch im Bewusstsein.

»[…] die Empfindung einer Zeitwende, welche das Ende der von der Französischen Revolution datierenden bürgerlichen Epoche und ihrer Ideenwelt ankündigte. Eine neue Seelenlage der Menschheit, die mit der bürgerlichen und ihren Prinzipien: Freiheit, Gerechtigkeit, Bildung, Optimismus, Fortschrittsglaube, nichts mehr zu schaffen haben sollte, wurde proklamiert […]« • Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 19304

Mann beschrieb diese neue Zeit als lärmend und grenzenlos, eine Gesellschaft besessen von Spektakel: Boxkämpfe vor tobenden Menschenmassen, Film- und Sportstars, die Millionen verdienten. Dies waren die prägenden Bilder der Zeit. Vor allem wurde die bürgerliche Freiheit in Willkür und Gewalt umgedeutet:

»Alles scheint möglich, scheint erlaubt gegen den Menschenanstand, und geht auch die Lehre dahin, daß die Idee der Freiheit zum bourgeoisen Gerümpel geworden sei, als ob eine Idee, die mit allem europäischen Pathos so innig verbunden ist, aus der Europa sich geradezu konstituiert und der es so große Opfer gebracht hat, je wirklich verlorengehen könnte, so erscheint die lehrweise abgeschaffte Freiheit nun wieder in zeitgemäßer Gestalt als Verwilderung, Verhöhnung einer als ausgedient verschrienen humanitären Autorität, als Losbändigkeit der Instinkte, Emanzipation der Roheit, Diktatur der Gewalt.« • Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 1930

Mann blickte über Deutschland hinaus. Er sah die zunehmende politische Gewalt in ganz Europa: Italien erzwang die Italianisierung Südtirols, Sowjetrussland setzte Hunger als Waffe ein, Polen stand am Siedepunkt. Dies wollte er nicht für Deutschland, denn Deutschland war anders:

»Ist das deutsch? Ist der Fanatismus, die gliederwerfende Unbesonnenheit, die orgiastische Verleugnung von Vernunft, Menschenwürde, geistiger Haltung in irgendeiner tieferen Seelenschicht des Deutschtums wirklich zu Hause? Dürfen die Verkünder des radikalen Nationalismus sich wirklich... […] Deutschland ist heute das unglücklichste Land Europas. Es ist zerrissen von Hass, vergiftet von Demagogie." […] Das wahre Deutschland, das Deutschland Goethes und Beethovens, muss sich gegen diese Barbarei zur Wehr setzen. […] Ich rufe die deutsche Vernunft auf, sich zu besinnen und dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, der über unser Land gekommen ist.« • Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 1930

Als Mann seinen "Appell an die Vernunft" vortrug, störten Schriftsteller mit national-konservativer Gesinnung den Vortrag durch laute Zwischenrufe. Unter ihnen: Ernst Jünger. Auch SA-Männer – die paramilitärische Organisation der Nazi-Partei – schlossen sich dem Protest an. Doch anhaltender Applaus übertönte schließlich ihre Sabotage. Die Situation schien noch nicht verloren. Bis 1933.

Das wahre Deutschland. Im Exil.

Am 30. Januar 1933 wird Hitler Reichskanzler. Thomas Mann befand sich zu dieser Zeit auf einer Vortragsreise im Ausland. Seine Kinder warnten ihn eindringlich: „Kehre nicht nach Deutschland zurück." Er hörte auf sie. Er sollte nie wieder dort leben. Im März 1933 ließ er sich in Küsnacht bei Zürich nieder.

Das Nazi-Regime schlug umgehend zurück. Sein Haus in München wurde im Dezember 1933 enteignet. Seine Bücher blieben in Deutschland zunächst noch verfügbar – bis 1936. Danach erschienen sie ausschließlich in Exilverlagen: erst in Österreich, später in Schweden.

1935 hielt er einen eindringlichen Vortrag:
„Achtung, Europa!"

Es war für einen Kulturkongress des Völkerbundes in Nizza gedacht, wo sich Länder aus aller Welt für den Frieden einsetzten. Doch er ging nicht hin – er fürchtete Vergeltungsmaßnahmen. Ein anderer trug die Rede auf Französisch vor. Zeitungen in Zürich und Budapest veröffentlichten sie 1936.

Eine „gigantische Welle Barbarei" rolle über den Kontinent, schrieb Mann. Er rief zum energischen Widerstand auf: Demokratische Werte müssten mit „militantem Humanismus" verteidigt werden. Seine Warnung war kristallklar:

»Europa, hüte dich! Die Barbarei ist im Anzug, eine Barbarei, die sich als Heroismus verkleidet.« • »Was heute geschieht, ist nichts Geringeres als ein Angriff auf die europäische Zivilisation, auf alles, was Europa groß und ehrwürdig gemacht hat.« • »Deutschland ist nicht mehr Deutschland. Es ist zu einem Werkzeug barbarischer Kräfte geworden, die Europa bedrohen.« • »Die Geistigen Europas müssen zusammenstehen gegen die Mächte der Finsternis, die sich über unseren Kontinent legen wollen.« • »Europa muss sich besinnen auf seine gemeinsamen Werte: Humanität, Vernunft, Toleranz - alles, was der Faschismus zu zerstören trachtet.« • »Noch ist es Zeit. Noch kann Europa sich retten, wenn es den Mut findet, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen.« • Achtung, Europa!, 1935

Aber diese Worte hatten ihren Preis. Im Dezember 1936 entzog man Mann die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Bücher wurden reichsweit verboten. Die Universität Bonn erkannte ihm seine Ehrendoktorwürde ab.

Er antwortete mit einem offenen Brief,
der als „Ich klage das Hitler-Regime an"
in die Geschichte einging.

Zuerst in der Neue Zürcher Zeitung veröffentlicht, dann in den USA in The Nation. Der Brief zirkulierte auch in Deutschland, versteckt in gefälschten Büchern: als Band „Briefe klassischer deutscher Autoren", als Wagner-Libretti oder als Postwerbung getarnt.5

1938 fühlte er sich in der Schweiz nicht mehr sicher. In diesem Jahr verließ die Familie Mann Europa in Richtung USA.

Eine Woche nach Manns Ankunft in New York erschien sein Buch Joseph in Ägypten. Es war der dritte Teil seiner biblischen Reihe und erwies sich als literarischer Triumph – der Höhepunkt von Manns kritischer Anerkennung aus rein literarischer Sicht.

Dies markierte jedoch einen Wendepunkt. Von nun an wurde Mann in Amerika weniger für seine Belletristik gefeiert als für seinen Kampf für die Demokratie. Er wurde zur „wichtigsten deutschen Stimme im Exil". Und als der Krieg begann, wurde er zur Stimme sowohl für Deutsche als auch für Europäer.

Seine Werke aus dem Exil wurden zu einem wirkungsvollen Gegenentwurf zur Nazi-Propaganda. Sie und ihr Autor repräsentierten ein wahrhaftigeres Deutschland – eines, das noch an Goethe glaubte. An Beethoven. An Kant. An die Vernunft.

Deutsche Hörer!

Zunächst Princeton als Gastdozent. Dann Kalifornien. Im Frühjahr 1941 ließ sich die Familie Mann in Kalifornien nieder. 1944 wurde Mann amerikanischer Staatsbürger. Dort setzte er die Arbeit an seinem amerikanischen Hauptwerk fort: die Joseph-Tetralogie, eine moderne Nacherzählung des alttestamentarischen Patriarchen. Der letzte Band, Joseph, der Ernährer, erschien 1943.

Doch es war in einer anderen Rolle – nicht als Romancier, sondern als moralische Stimme –, dass Thomas Mann seine wichtigste Berufung während der Kriegsjahre fand.

Im Herbst 1940 entwickelte der deutsche Dienst der BBC eine wegweisende Idee: eine deutsche Stimme sollte zu Deutschen sprechen. Manns Tochter Erika, die für den Sender arbeitete, schlug eine Zusammenarbeit vor. Im November 1940 begann das Projekt, und die Sendungen begannen.

"Deutsche Hörer!"
war Manns charakteristischer Gruß.

Zwischen 1940 und 1945 hielt Mann fast sechzig solcher Ansprachen.

Zunächst schickte er seine Manuskripte nach London, wo andere seine Worte vorlasen. Nach seinem Umzug nach Kalifornien bestand Mann jedoch darauf, selbst zu sprechen. Dies führte zu einer der bemerkenswertesten technischen Leistungen des Rundfunks: Mann sprach seine Texte in einem NBC-Studio in Los Angeles ein. Die Aufnahme wurde nach New York geflogen, von wo aus Telefonleitungen seine Stimme über den Atlantik nach London übertrugen. Dort wurde sie erneut aufgezeichnet und schließlich über Europa ausgestrahlt.

Der Weg war lang — aber die Stimme war unverkennbar: ruhig, volltönend, unverwechselbar deutsch.

»Deutsche Hörer, es ist die Stimme eines Freundes, eine deutsche Stimme, die Stimme eines Deutschland, der fand, dass der Welt ein anderes Gesicht zeigte und wieder zeigen wird als die scheußliche Medusenmaske, die der Hitlerismus ihm aufgeträgt hat.« • BBC, deutschsprachiger Dienst, März 1941

Eine mahnende Stimme. So nannte er sich selbst. Der einzige Dienst, den ein deutscher Exilant leisten konnte.

Dieser Dienst bedeutete auch, die brutale Wahrheit zu sagen. Mann schonte seine Zuhörer nicht. Er sprach über das, was alle wussten, aber niemand auszusprechen wagte: die Fleischmühle des Krieges. Sechzehn- und achtzehnjährige Jungen, die an die Front geschickt wurden. Jedes deutsche Haus trauerte um jemanden. Er sprach von Gaskammern, von Krematorien, von der systematischen Ermordung der Juden. Während andere flüsterten, rief Mann es in die Mikrofone. Er sagte den Deutschen eine unbequeme Wahrheit: Sie waren verantwortlich. Nicht nur Hitler. Nicht nur die Nazis. Die Deutschen.

»Das Unaussprechliche, das in Russland, das mit den Polen und Juden geschehen ist und geschieht, wisst ihr. Wollt es aber lieber nicht wissen, aus berechtigtem Grauen vor dem ebenfalls Unaussprechlichen, dem ins Riesenhafte heranwachsenden Hass, der eines Tages, wenn eure Volks und Maschinenkraft erlahmt, über euren Köpfen zusammenschlagen muss. Ja, Grauen vor diesem Tag ist am Platz. Und eurer Führer nutzen es aus. Sie, die euch zu all diesen Schandtaten verführt haben, sagen euch, nun habt ihr sie begangen. Nun seid ihr unauflöslich an uns gekettet. Nun müsst ihr durchhalten bis auf Letzte, sonst kommt die Hölle über euch. Die Hölle Deutsche kam über euch, als dieser Führer über euch kamen. Zur Hölle mit ihnen und all ihren Spießgesellen. Dann kann euch immer noch Rettung, kann euch Freiheit und Friede werden.« • BBC, deutschsprachiger Dienst, November 1941

Mann verstand die Psychologie der Mitläufer: die bewusste Blindheit, die bequeme Unwissenheit. Und dafür würde ein Preis zu zahlen sein.

Als alliierte Bomben auf deutsche Städte fielen, traf es Mann zutiefst persönlich. Lübeck wurde getroffen – seine Heimatstadt. Die mittelalterlichen Kirchen, das Renaissance-Rathaus, Gebäude, die er als Junge gekannt hatte. Es schmerzte ihn. Aber er würde sich nicht dafür entschuldigen.

»Hat Deutschland geglaubt, es werde für die Untaten, die sein Vorsprung in der Barbarei ihm gestattete, niemals zu zahlen haben? Es hat kaum zu zahlen begonnen.[…] Beim jüngsten britischen Raid über Hitlerland hat das alte Lübeck zu leiden gehabt. Das geht mich an. Es ist meine Vaterstadt. Die Angriffe galten dem Hafen von Travemünde, den kriegsindustriellen Anlagen dort. Aber es hat Brände gegeben in der Stadt. Und lieb ist es mir nicht zu denken, dass die Marienkirche, das herrliche Renaissance-Rathaus oder das Haus der Schiffergesellschaft sollten Schaden gelitten haben. Aber ich denke an Coventry und habe nichts einzuwenden gegen die Lehre, dass alles bezahlt werden muss.« • BBC, deutschsprachiger Dienst, April 1942.

Das Einschalten von Manns Sendungen war im nationalsozialistischen Deutschland ein Kapitalverbrechen. Das Hören eines Schriftstellers im Exil wurde mit dem Tod bestraft. Doch Millionen wagten es trotzdem: hinter Vorhängen, unter Decken, mit leise eingestellten Radios. Goebbels versuchte, die Sendungen als bedeutungslose Propaganda abzutun. Aber Manns Stimme drang durch – die Stimme eines anderen Deutschlands.

8. Mai 1945: Deutschland kapituliert. Der Krieg endet. Die Welt feiert. Manns letzte Sendung am 10. Mai enthielt keinen Triumph – nur Trauer:

»Deutsche Hörer, Deutsche Hörer. Wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage der tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt? Wie zeigt sich darin noch einmal schrecklich der Abgrund, der sich zwischen Deutschland und der gesitteten Welt aufgetan hatte. Die Sieges, die Friedensglocken dröhnen, die Gläser klingen, Umarmungen und Glückwünsche ringsum. Der Deutsche aber, dem von den allerunberufensten einst sein Deutschtum abgesprochen wurde, der sein grauenvoll gewordenes Land Meiden und sich unter freundlicheren Zonen ein neues Leben bauen mußte, er senkt das Haupt in der weltweiten Freude.« • BBC, deutschsprachiger Dienst, 10 Mai 1945.

Aber er sah Hoffnung in der Dunkelheit: Deutschlands Rückkehr zur Menschlichkeit. Hart und traurig, ja – denn Deutschland konnte sich nicht selbst befreien. Die Befreiung musste von außen kommen. Und dennoch war es eine Befreiung: das Ende des Albtraums und der Beginn von etwas Neuem.

»Ich sage, es ist trotz allem eine große Stunde. Die Rückkehr Deutschlands zur Menschlichkeit. Sie ist hart und traurig, weil Deutschland sie nicht aus eigener Kraft herbeiführen konnte. Furchtbarer, schwer zu tilgender Schaden ist dem deutschen Namen zugefügt worden und die Macht ist verspielt. Aber Macht ist nicht alles. Sie ist nicht einmal die Hauptsache. Und nie war deutsche Würde eine bloße Sache der Macht. Deutsch war es einmal und mag es wieder werden. der macht Achtung Bewunderung abzugewinnen durch den menschlichen Beitrag, den freien Geist.« • BBC, deutschsprachiger Dienst, 10 Mai 1945

Epilog. Rückkehr nach Europa.

August 1947. Vierzehn Jahre nach der Flucht aus Nazi-Deutschland, neun Jahre nach der Niederlassung in Amerika: Thomas Mann betrat wieder europäischen Boden. London, Zürich, Amsterdam waren seine Hauptstationen. Der Kontinent lag in Trümmern. Niemand wusste, was als Nächstes kommen würde.

Doch Mann sah etwas: Hoffnung in den Trümmern. In Gesprächen und Ansprachen sprach er von einem neuen Humanismus – einem aufkeimenden Ethos unter Europas jüngerer Generation, die zwar gezeichnet war, aber nach Sinn suchte. Daraus könnte sich, so glaubte er, „ein neues Leben und eine neue Zukunft für Europa und die ganze Welt" entwickeln.

1949, zwei Jahre später, anlässlich des zweihundertsten Geburtstags Goethes, erhielt Mann Einladungen zu Vorträgen in Deutschland.

Seine erste Rückkehr in seine Heimat seit 1933: Der Nachtzug brachte ihn und Katia von Zürich nach Frankfurt in der amerikanischen Zone. Der deutsche Empfang war kühl. Für viele Deutsche blieb Mann ein Verräter – der Schriftsteller, der seine Heimat in ihrer dunkelsten Stunde verlassen und sich auf die Seite der Alliierten gestellt hatte, während seine Landsleute litten. Dennoch ging Mann weiter und nahm auch Einladungen aus der sowjetischen Ostzone an. Zwei Vorträge. Zwei Deutschlands.

Am Sonntagnachmittag (31.7.1949) traf Thomas Mann aus Westdeutschland in Weimar ein, wo er vor dem Hotel "Augusta" vom thüringischen Ministerpräsidenten Werner Eggerath begrüßt wurde.. / Bundesarchiv, Public Domain, Bild 183-S86720

Am 1. August 1949 sprach Mann in Weimar. Die Berliner Luftbrücke setzte ihre Operationen fort, obwohl Stalin die Blockade drei Monate zuvor aufgehoben hatte. Die Spannungen in der geteilten Stadt blieben auf dem Siedepunkt. Mann sah selbst hier Hoffnung. Er lobte die Sowjets für die Aufhebung der Blockade. „Eine Friedenstat", nannte er es.

In Amerika war die Reaktion schnell und brutal. Manns Worte in Weimar und seine Weigerung, in den binären Kategorien des Kalten Krieges zu sprechen, alarmierten die antikommunistische Presse und erzürnten die Regierung.

Vorlesungseinladungen in Amerika wurden stillschweigend zurückgezogen. Türen, die einst offen standen, begannen sich zu schließen. Die Medien wurden feindselig. Dasselbe Land, das ihn als Flüchtling willkommen geheißen hatte, behandelte ihn nun als Belastung. Der McCarthyismus interessierte sich nicht für Nobelpreise.

Die Familie Mann packte erneut. 1952 verließen Thomas Mann, seine Frau Katia und ihre Tochter Erika die Vereinigten Staaten und kehrten nach Europa zurück. Sie ließen sich in Kilchberg nieder, unweit von Zürich, an den ruhigen Gewässern des Zürichsees.

Eine lange Reise hatte sich vollendet. Von Exil zu Exil. Es spielte keine Rolle. Deutschland war dort, wo Thomas Mann war. Und mit ihm der europäische Humanismus.

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📚Bücher.

Die Auswahl ist riesig. Aber für diesen Beitrag möchte ich drei Bücher besonders empfehlen:

1/3 Kai Sinas Was gut ist und was böse. Thomas Mann war nicht nur Schriftsteller, sondern auch politischer Aktivist. Er setzte sich leidenschaftlich dafür ein, dass jeder Bürger die Verantwortung hat, Politik nicht nur passiv zu erdulden, sondern sie aktiv mitzugestalten. "Es liegt in unseren Händen", rief er 1922 den Gegnern des demokratischen Staates zu, "in den Händen jedes Einzelnen." Das Buch beleuchtet auch seine enge Verbindung zum Zionismus, den er mit Überzeugung unterstützte. Ende 2024 bei Ullstein in Deutschland erschienen.

Kai Sina, Was gut ist und was böse: Thomas Mann als politischer Aktivist, Ullstein, 2024

2/3 Thomas Mann's War von Tobias Boes, erschienen in den USA bei Cornell University Press 2019. Das Buch befasst sich besonders mit Thomas Manns amerikanischen Jahren und wie der gefeierte Bestsellerautor zu einem der bedeutendsten Antifaschisten Amerikas und zum Sprecher eines deutschen Kulturideals wurde, das der Nationalsozialismus pervertiert hatte.

Tobias Boes, Thomas Mann's War, Cornell University Press, 2019

3/3 Thomas Mann - 1949: Rückkehr in eine fremde Heimat, Graphic Novel. Basierend auf Thomas Manns Tagebüchern, Briefen, Reiseberichten und den Erinnerungen seines Schweizer Fahrers dokumentiert diese Graphic Novel Manns erste Nachkriegsreise von den Vereinigten Staaten durch die geteilten deutschen Staaten. Während ihres zehntägigen Aufenthalts bereisen Thomas Mann und seine Frau Katia die Strecke von Frankfurt am Main über Nürnberg und München bis nach Weimar. Ein herausragendes Werk. Erschienen in Deutschland bei Knesebeck, 2025

Julian Voloj, Friedhelm Marx, Magdalena Adomeit, Thomas Mann – 1949: Rückkehr in eine fremde Heimat, (Knesebeck, 2025)
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Der Vortrag wurde ursprünglich auf Deutsch verfasst, aber ins Englische übersetzt und vorgetragen - während die Frage-und-Antwort-Runde über einen Dolmetscher erfolgte, da Mann sich zu dieser Zeit im Englischen noch unsicher war

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Empfohlene Lektüre: Thomas Hüetlin, Berlin, 24. Juni 1922: Der Rathenaumord und der Beginn des rechten Terrors in Deutschland (The Birth of German Right-Wing Terror), 2023

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»Der Ausgang der Reichstagswahlen, meine geehrten Zuhörer, kann nicht rein wirtschaftlich erklärt werden. Wenn es nach dem bisher Gesagten den Anschein hatte, als wäre das meine Meinung, so bedarf das Gesagte der Korrektur. Auch vor dem Auslande wäre es weder klug noch entspräche es den inneren Tatsachen, wenn man die Dinge so einseitig darstellte. Das deutsche Volk ist seiner natürlichen Anlage nach nicht radikalistisch, und wäre das Maß von Radikalisierung, das nun wenigstens für den Augenblick zutage getreten ist, nur eine Folge wirtschaftlicher Depression, so wäre damit allenfalls ein Anwachsen des Kommunismus, aber nicht der Massenzulauf zu einer Partei erklärt, die auf die militanteste und schreiend wirksamste Weise die nationale Idee…« Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 1930

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»[…] die Empfindung einer Zeitwende, welche das Ende der von der Französischen Revolution datierenden bürgerlichen Epoche und ihrer Ideenwelt ankündigte. Eine neue Seelenlage der Menschheit, die mit der bürgerlichen und ihren Prinzipien: Freiheit, Gerechtigkeit, Bildung, Optimismus, Fortschrittsglaube, nichts mehr zu schaffen haben sollte, wurde proklamiert und drückte sich künstlerisch im expressionistischen Seelenschrei, philosophisch als Abkehr vom Vernunftglauben, von der zugleich mechanistischen und ideologischen Weltanschauung abgelaufener Jahrzehnte aus, als ein irrationalistischer, den Lebensbegriff in den Mittelpunkt des Denkens stellender Rückschlag, der die allein lebenspendenden Kräfte des Unbewußten, Dynamischen, Dunkel-schöpferischen auf den Schild hob, den Geist, unter dem man schlechthin das Intellektuelle verstand, als lebensmörderisch verpönte und gegen ihn das Seelendunkel,[…]« Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft, Berlin, 17. Oktober 1930

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Briefwechsel mit der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn (1936/1937), kuenste-im-exil.de

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